"Und obwohl ich die Rückkehr nicht wollte - man kehrt doch immer wieder zu seiner ersten Liebe zurück."
aus Volver


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Abdruck eines Artikels mit freundlicher Genehmigung vom Südkurier, Konstanz. (Originaltext hier) arrow Kommentare zu dem -gewiss provokanten - Artikel bitte im Foro del Tango

Draussen Heimchen, drinnen Herrin

Frauen in Argentinien können alten Rollenmustern nur mühsam entrinnen

Von Carl D. Goerdeler, Rio
8.3.2005

Im Macho-Land Argentinien erzählt man sich eine böse Zote: Woran der Reisende wohl erkenne, dass er sich in der Schweiz befände? Das wäre da, wo die Kühe hübscher sind als die Frauen. Dem könnte man entgegensetzen, dass sich die argentinischen Frauen so herausputzen wie es mit den Kühen vor dem Almauftrieb geschieht.

Jedenfalls verbringen die Señoras und Señoritas am Rio de la Plata täglich mehr als eine Stunde vor dem Spiegel - das will ein Forschungsinstitut festgestellt haben. Makelloser Teint und stolzes Auftreten wird heranwachsenden Mädchen schon früh eingetrichtert. Dass Vierjährige sich die Finger- und Fußnägel lackieren, gilt als normal. Dabei können sie auf den Beistand der Mutter hoffen, die auch ihren Ehrgeiz einsetzt, um ihre Tochter erfolgreich in einen Schüler-Schönheitswettbewerb zu platzieren.

Eleganz, Stil und Charme sind für das weibliche Geschlecht wichtiger als Intelligenz, Selbstständigkeit und Bildung - jedenfalls nach dem traditionellen Kodex, der von den Massenmedien und Kosmetikinstituten gebetsmühlenhaft verbreitet wird. In dieser Absurdität wird Argentinien nur noch von Venezuela übertroffen.

Eva Peron Gilt den Argentiniern als Nationalheilige: Evita Peron

Wie eine solche Frau aussehen muss, haben die legendäre Präsidenten-Gattin und Landesmutter Evita Perón (1919 - 1952) und ihre vielen blonden Kopien vorgemacht. Das Ideal ist die Barbiepuppe.

So viele Blondinen wie in Argentinien gibt es nicht einmal in Schweden - dank Wasserstoffperoxid und anderer Bleichmittel. Denn von ihrer genetischen Grundausstattung her sind die meisten Frauen in Argentinien wohl nicht heller als die dunkelschnauzigen Herren der Schöpfung. Die Argentinierinnen scheinen auf einem Laufsteg durchs Leben zu schreiten. Kritisch wird das Outfit möglicher Konkurrentinnen gemustert - und mit einer gewissen Blasiertheit, aber gleichwohl innerer Befriedigung werden die bewundernden Blicke und gelegentlichen piropos (anzügliche Bemerkungen) der Herren eingefangen.

Im Geben von Körben sind sie Weltmeisterinnen. Die attraktive Unnahbarkeit der argentinischen Aphroditen schlägt daheim um in eine drastische Dominanz, die die Machos zu Zwergen degradiert. Mag der Argentinier auf der Straße den Ton angeben, am heimischen Herd wird er höchstens als Diener geduldet. La Mama ist die Heilige, sie wacht über die Erziehung der Kinder, sie kommandiert die Hausangestellten (zur Ausstattung einer Mittelklassefamilie gehört die empleada) und sie bestimmt den Takt. Der Gatte darf warten, selbst wenn man schon vor einer Stunde mit Freunden verabredet war. Die Rechnung bezahlt natürlich er. Es ist unvorstellbar, dass eine Argentinierin auf ihren Teil besteht. Und ein Mann, der sich von einer Frau aushalten lässt, kann nicht ganz bei Trost sein.

In der Öffentlichkeit hat die Gattin die Rolle einer unterwürfigen schöneren Hälfte zu spielen. Ihrem Mann ins Wort zu fallen oder zu widersprechen würde ihr im Traum nicht einfallen. Daheim aber bekommt er es aufgetischt. Weil der Mann im Haus so wenig zu sagen hat, kompensiert er das auf der Straße durch um so potenteres Auftreten. Und umgekehrt: Weil die Frau in der Öffentlichkeit so wenig zu sagen hat und selbst bei der Wahl des Ehegatten unter der Fuchtel des Vaters stand, rächt sie sich später durch geradezu hysterische Attacken auf den Mann daheim. Aber ihr schlimmster Feind ist ihr Gewicht. Der Krieg gegen die Kalorien und um die schlanke Taille ist geradezu ein Existenzkampf. Kaum ein Klatsch unter Frauen, der sich nicht um Magerquark, Zellulitis oder Konfektionsgrößen dreht - und natürlich darum, ob das Töchterchen auch den richtigen Mann angelt.

Argentinische Frauen stehen leuchtend im Schatten des Mannes. Man braucht nur einmal die Schulbücher für den Geschichtsunterricht durchzublättern: Keine argentinische Jeanne d'Arc, keine Rosa Luxemburg und auch keine Queen Victoria, nichts. Erst mit Evita Perón tritt zum Schrecken der Damen der Gesellschaft auch noch ausgerechnet ein Vorstadt-Luder in das Licht der Scheinwerfer. Die Folge: Massenhysterie auf den Straßen, Depressionen in den Salons.

Evita Perón hat für die Emanzipation der Frauen in Argentinien mehr getan als jede/r andere. Sie setzte beispielsweise gegen den Widerstand der gesamten politischen Klasse das Wahlrecht für Frauen durch. Sie verstand sich als kämpferische Feministin, trat heraus auf den Balkon vor die jubelnden Massen und agitierte selbst gegen ihren Mann, den Obersten und Volkstribun Juan Domingos. Aber dann trat sie wieder zurück in dessen Schatten. Sich gegen diesen weichlichen Göttergatten aufzulehnen, wäre politischer Selbstmord gewesen.

Zwar haben sich viele Argentinierinnen bis in die Vorstandsetagen geboxt, aber sie nehmen dort eher untergeordnete Posten ein. Eine Frauenquote wie etwa bei den Parteien in Deutschland ist in Argentinien vorerst unvorstellbar.

Tangoszene In Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires wurde der Tango geboren. Der Mann tritt bei diesem Volkssport zwar als grimmig dreinschauender Macho auf, doch begegnet ihm die Partnerin durchaus auf Augenhöhe.

Also geht es weiter: Die Machos bestimmen draußen, wo es langgeht, die Frauen daheim. Man kann sich denken, dass bei einer derart rigiden Rollentrennung eine wirkliche Kommunikation über die Geschlechtergrenzen hinweg kaum stattfindet. Davon leben die Psychotherapeuten recht gut. Partnerschaftliche Ehen sind nach dem traditionellen Kodex nicht vorgesehen. Man wird kaum einen Argentinier auf der Straße sehen, der einen Kinderwagen schiebt. Dass es in Argentinien Hausmänner gibt, ist lediglich ein Gerücht.

Die rigide Rollentrennung reicht natürlich bis ins Schlafzimmer. Der Mann ist der Eroberer, die Frau nimmt's hin - und kriegt Migräne. Da darf sie sich nicht wundern, wenn ihr Gatte andere Wege geht. Eine heimliche Geliebte zu haben, gilt unter Männern als Statussymbol. Aber die Fassade muss gewahrt werden. Denn wenn die Ehegattin davon erfährt, ist die Hölle los und vor jedem Scheidungsanwalt wird sie ihre Forderungen durchsetzen. Man kann sich leicht denken, dass für die meisten Argentinier und Argentinierinnen Sex ein Problem ist. Die Massenmedien schreien: Du musst! Aber drinnen im Schlafzimmer sieht es trübe aus. Und: Was nicht ins heterosexuelle Schema passt, ist völlig unakzeptabel. Ein schwuler Bürgermeister oder Spitzenpolitiker - das wären in Argentinien Sonderlinge, die unter erbarmungslosen Schmähungen litten. Argentinier haben vielleicht Probleme mit ihrer Nationalität, aber nicht mit ihrer Sexualität. Glauben die Argentinier.


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update: 19 Mar 2005 © tangoinfo.ch
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