7.10.2014
tangoinfo.ch im Gespräch mit Bärbel Rücker bei ihrem Aufenthalt in Bern (mi)
Zum Teil II
Das Tango-DJ Festival Millepattes 2 in Genf, wo du Mitte August als DJ aufgelegt hast, schreibt über dich:
Cette jeune femme dynamique, créative, charmante, possède une grande expérience du DJing dans toutes les villes d'Europe. Du bist also eine junge, dynamische Frau, kreativ, charmant und hast grosse Erfahrung im DJ-ing in ganz Europa.
Wer bist du?
Wie schön, immer noch als junge Frau bezeichnet zu werden. Ich bin tatsächlich viel in Sachen Tango unterwegs. Ich kann ohne Zweifel sagen, dass der Tango meine Passion geworden ist: das Tanzen genauso wie das Unterrichten und das Auflegen.
Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen und bin, nachdem ich den Tango entdeckt hatte, sehr bald schon (nach 4 Monaten) zu internationalen Events gereist. Da lernt man natürliche viele Menschen kennen und um 2003 bin ich dann der Liebe wegen nach Dänemark gezogen. Bis heute habe ich meinen Hauptwohnsitz in Kopenhagen. Daher bringt man mich oft mit Dänemark in Verbindung. Ich spreche natürlich auch Dänisch und meine Homepage, die sowohl dänische, deutsche und englische Texte hat, lautet tanzbar.dk anstatt 'de'.
Im Moment bin ich sehr viel unterwegs und sehr selten in Dänemark.
Wenn man sich deine Reisen auf einer Landkarte anschaut, so ist das sehr beeindruckend und man sieht deine grosse Reiseaktivität vom, ich sage mal Nordkap bis Gibraltar und von England bis Riga, Kiew, Istanbul.
Ja, tatsächlich, mir fehlen nur noch einige wenige Länder in Europa, in denen ich noch nicht tangomässig aktiv gewesen bin.
Tangoreisen 2014 (Stand September)
Wie bist du zum Tango DJ-ing gekommen? Was hat dich daran speziell interessiert?
Angefangen hat alles mit einem Telefonanruf kurz vor Weihnachten 2007. Einer meiner Tangofreunde aus Kopenhagen fragte, ob ich Lust hätte, beim nächsten Tangofestival (2008) in Kopenhagen (immer Christi Himmelfahrt) auf einer der Nachmittagsmilongas aufzulegen. An den Nachmittagen des Festivals gibt es jeweils eine 6-Stunden-Milonga, die meist von regionalen Djs bespielt wird. Nach anfänglichem Zögern konnte er mich dann doch überzeugen. Damit hatte ich dann ein paar Monate Zeit um mich mit dem Gedanken anzufreunden und war dann der DJ auf der ersten Nachmittags-Milonga. Mein Set war ein Erfolg und ich wurde angefragt, ob ich nicht auch am 1. Bergen-Tango-Marathon im November 2008 auflegen wollte. Ich sagte zu und hatte dort dann das Vergnügen, die 7-stündige Eröffnungsmilonga zu dj'en. Zur Vorbereitung meines ersten internationalen DJ Sets habe ich auf den verschiedensten Milongas und Praktikas in Kopenhagen aufgelegt.
Nach Bergen ging es weiter mit DJ Sets auf anderen Tango-Marathons. In dieser Zeit habe ich auch bei einem Tango-Projekt in Kopenhagen mitgemacht, wo ich alle 14 Tage in Kopenhagen auflegte. Dieses Projekt stoppte nach einem Jahr, doch die Milonga wurde von einer Gruppe von Freiwilligen in anderen Räumen weitergeführt und hat sich dann im Laufe der Zeit zu einer der erfolgreichsten Milongas in Kopenhagen weiterentwickelt.
Man kann also sagen, dass es am Anfang eher ein Zufall war. Es hat sich dann stufenweise weiter entwickelt und du hast weitere Anfragen bekommen.
Ja, das stimmt. Zudem habe ich in dieser Zeit sehr viel getanzt, war oft auf Tango Marathons zu finden und gut vernetzt in der europäischen Tangoszene. Zu dieser Zeit gab es noch nicht so viele internationale Events und es kamen Anfragen von Marathons, sowie von Festivals und regulären Milongas.
Und heute, so kann man sagen, bist du die am meisten und am weitesten gereiste TJ-ane.
Wirst du über viele Monate vorher angefragt?
Das ist unterschiedlich. Einige Organisatoren planen sehr weit im Voraus. Es gibt aber auch kurzfristigere Anfragen und wenn ich reise, informiere ich gerne die Organisatoren in den Regionen und kündige Ihnen meine Reise an. Darum gibt es auch häufigere Bündelungen zum Beispiel in Deutschland, wenn ich meine Eltern im Ruhrgebiet besuche.
Darüber hinaus gibt es natürlich auch eine grössere Anzahl an Tango-DJ-Kollegen, die reisen einige sind eher an Festivals anzutreffen, andere an Marathons oder an regulären Milongas. Ich bin da sicher nur eine unter vielen.
Tangoreisen 2013
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Würdest Du das Tango DJ-ing jetzt als deinen Beruf bezeichnen?
Ja, das Tango DJ-ing ist zur Zeit mein Beruf und meine Leidenschaft, neben dem Unterrichten.
Auch wenn ich unterrichte, konzentriere ich mich hauptsächlich auf die Verbindung mit der Musik, dem sozialen Tanzen und den grundlegenden Elementen des Tangos wie Gehen, Stehen, Ochos, Tanzen auf kleinem Raum und Tangotechnik. Die grösseren, mehr spektakulären Bewegungen wie Volcadas, Colgadas, Sacadas sowie längere Figurenkombinationen überlasse ich herzlich gerne anderen unterrichtenden Tangopaaren. Wer an Musik und sozialem Tanzfluss interessiert ist, ist bei mir an der richtigen Adresse. Ich unterrichte hauptsächlich alleine, was normalerweise kein Problem ist, da ich selber seit langem Führe und Folge. Anfang des Jahres musste ich allerdings aus gesundheitlichen Gründen etwas umstrukturieren und habe daher zur Zeit etwas weniger Unterrichts-Projekte.
Du gibst auch Tango DJ-ing Seminare. Was macht einen guten Tango DJ aus?
Gute Frage. Eine gefüllte Tanzfläche ist sicherlich ein guter Indikator dafür, wie gut ein Tango DJ ist. Es ist immer wieder eine Herausforderung für jede Milonga den besten Mix aus bekannten und unbekannteren Stücken zu spielen und eine Atmosphäre zu schaffen, die es allen ermöglicht, miteinander sozial zu agieren.
DJ'en ist immer ein Wechselspiel mit den Tänzern und es ist schön, wenn man als DJ einen Platz an der Tanzfläche hat und nicht in einer hinteren, dunklen Ecke versteckt wird. Das erleichtert den Kontakt zu den Tänzern.
Bekommst du von den Milongabesuchern auch persönliche Feedbacks?
Ja, oft. Manch Tänzer kommt schon während der Milonga zu mir, manch einer nach der Milonga und andere schreiben mir sogar persönlich. Eine andere Art von Feedback bekomme ich direkt durch das Beobachten der Tanzfläche. Ich sehe oft, dass selbst diejenigen, die gerade nicht tanzen und an der Bar stehen, mit den Füssen wippen und sich an der Musik erfreuen. Nicht selten höre ich, dass Tänzer, die eigentlich schon auf dem Weg nach Hause waren, noch geblieben sind um mehr von meiner Musik zu hören.
Ich habe schon gesehen, dass Du gerne auch Videoaufnahmen von der Milonga machst und auch auf deine Homepage stellst.
Mit den Videoaufnahmen versuche ich, die Stimmung auf der Milonga einzufangen. Auch möchte ich den Tangotänzern die Möglichkeit geben, sich selber, die Leute und die Atmosphäre nochmals zu sehen. Selbstverständlich achte ich beim Editieren darauf, dass es keine peinlichen Szenen auf den Videos gibt. Darüber hinaus ist es ein kleines Extra für den Veranstalter. Natürlich ist es immer eine Gratwanderung inwieweit Leute gefilmt werden wollen oder nicht.
Du bist ja wahrscheinlich ständig auf der Suche nach Tonträgern, CDs usw. In der Vergangenheit gab es Überspielungen, die seinerzeit künstlich mit Hall oder anderen Effekten versehen wurden. Achtest du bei deiner Musikauswahl auf sowas oder vermeidest du solche Überspiegelungen sogar? Wo sind deine bevorzugten Quellen für die Musik?
Eine meiner bevorzugten Quellen für Tangomusik ist mein Partner Paul Strudwick. Er ist Sound Ingenieur (lange Zeit beim BBC) und hat schon einige hervorragende Überspielungen von seiner Tango Schellack Plattensammlung gemacht. Durch diese Partnerschaft sind meine Ohren für Tonqualität sensibilisiert worden und ich habe angefangen, auch auf Schellack-Jagd zu gehen. Ansonsten besitze ich selber eine grosse Datenbank an Musikstücken und bin daher nicht ständig auf der Suche nach den neuesten Trends. Für mich als DJ ist es wichtiger, aus meiner Musiksammlung die richtigen Stücke im richtigen Moment zu spielen, als immer die absolut neuesten Ausgaben parat zu haben.
Die Stücke mit Hall mag ich persönlich nicht so sehr. Falls ich doch mal ein technisch nicht so gutes Stück spielen möchte (tanzbar muss es natürlich sein), dann achte ich darauf, dass ich vier qualitätsmässig ähnliche Stücke spiele also mit Hall, Rauschen oder Knistern. Ich vermeide es unterschiedliche Qualitäten in einer Tanda zusammenzubringen, um ein angenehmeres Hörerlebnis zu schaffen. Während der Milonga wähle ich die Stücke durch Vorhören aus und spiele mir fast alles einmal kurz an.
Was die Qualität der Überspiegelungen anbetrifft, so muss es nicht zwangsweise FLAC oder WAV sein. Bei dem letzten DJ-Seminar in England konnten Paul und ich zeigen, dass man erst bei den komprimierten Formaten (mp3) unterhalb von 128 kbit einen Unterschied hören konnte. Wir haben verschiedene Versionen vom selben Stück benutzt (WAV, FLAC, MP3 320 kbit, 256 kbit, 128 kbit und 96 kbit) und auf Paul's sehr guten Soundanlage in einem Milonga Setup abgespielt. Bei den meisten Milongas sind die Musikanlagen nicht von dieser guten Qualität, sodass man das mp3-Format nicht verteufeln muss. Ich empfinde Aussagen, wie es muss immer das FLAC oder WAV Format sein eher als technisches Geplänkel oder eine gute Verkaufsstrategie. Wichtig ist, dass man bei einer Weiterverarbeitung von Musikstücken nicht zwischen den Formaten hin- und herkonvertiert und somit Qualität verschenkt.
Zum Teil II
Anmerkungen, Kommentierungen im Foro de tango
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