"Gardel war ein personifizierter, kollektiver Traum."

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Die muchachas von heute, Teil II

Freundschaften und Erinnerung

Frauenfreundschaften sind ein rückläufiges Thema bei den Bekannten dieser Generation von "Tangueras", diese Gefühle, die innerhalb des jeweiligen Geschlechts "Verbrüderung" schaffen, in der Freude wie in der Trauer; jene Gespräche unter Frauen (Minas), die eine Tragödie in eine Komödie verwandeln und die Geheimnisse in Schätze. Marcela Bublik, Musikerin, Textschreiberin und Sängerin, drückt sich in "Bisagra" folgendermaßen aus: "Dein Herz, Schwester, blutet / sich nur zum Schein drehend, ins Nichts sich bewegend / Deine Vögel stoßen sich ängstlich / an Wänden, die den Kamin verdecken / Du unterstütztest mich und ich unterstützte dich im Sturm / Schwarze Schafe, gegenseitige Komplizen, Zeugen / von Hass und Liebe, Brot, Wein, Mate / die Geburten, die Tode, die Exile." Als Gewinnerin des Wettbewerbs `Tango für die Identität`, ausgerufen von den Großmüttern der Plaza de Mayo, bekam Bublik den ersten Preis für "Soy", ein Stück, das sie als "Tango der Enkelkinder" definiert: "Für das Leben, das lebt, für den Tod, der nicht sicher ist, für jede Blume, die sich unter der Sonne öffnet, die sie bekleidet, für das Kind, welches sich morgen durch meine Hinterlassenschaft kämpfen muss / sich in jenen Bildern suchend, die mir die Nacht entriss / Sie werden mich nicht mit einem gefälschten Blick verfolgen / ich habe einen Namen und Blut in den Adern, die sie auslöschen wollten / die stärker sind als das Schwert und die vertrocknete Rose / die sie fällten mit Asche aus Stille und Einsamkeit." "Soy" wird auf ihrer nächsten CD "Gallo de fuego" enthalten sein, vorher spielte sie "Puñales de plata" ein.

Patricia Ferro Olmedo spielt in "Vereda y cartón" - gewidmet "einer Kartonsammlerin, die mich im Juni 2001 verstehen machte, was `Mut` ist" - auf die aktuelle Realität an und bestätigt: "Zwischen dem Lehm und den Pfützen / steigt wieder Hoffnung auf und Zauber der Liebe / Zeitungen, Lumpen, Blech und Müll / zwingen sie in eine andere Welt ohne Frieden und Scham / sie kennen auch keine andere Welt / mit Kobolden, die Decken aus Illusion weben, zwischen Lehm und Pfützen / die den Mut zum Weitermachen einfließen lassen / duftende Lotusblume / die – wenn auch leidvoll – in jenem Schlammloch gedeiht." Wie die klassischen Tangopoeten legen die heutigen Autorinnen unsere (die argentinische) Identität offen, sind soziale Zeugen einer Stadt und eines Landes voller Kontraste, Widersprüchlichkeiten, Gewalt und Schönheit. Sie geben Zeugnis ab über die jüngste Vergangenheit, der offenen Wunden, der verlorenen Illusionen und der zerstückelten Hoffnungen. Einer Aufgabe, der Eladia Blasquez mit größter Sensibilität gerecht wurde in ihrem sinnbildlichen "Corazón al sur", geschrieben 1975, und in vielen anderen Stücken, als sich an unserem Himmel starker Sturm ankündigte.

In "Reina de los sueños" (Königin der Träume), ruft Maria del Mar Estrella ihr "porteño-Gefühl" (porteños = Einwohner von Buenos Aires) wach: "Möglich, dass seine Wertmaßstäbe / mir diese Rolle und Identität gegeben haben / Träne meines Seins, meine einzige Blume, meine Sprachen mein WIR, meine Wahrheit / Mag sein, dass ich sie so liebe, wie auch immer / mit ihrer Melancholie zu leben / ihrer tragischen Geschichte als Arbeitermädchen / und ihrem mythischen Leiden."

Bibi Albert widmet Buenos Aires ihren Schmerz angesichts einer feindlichen Realität, in "Qué te pasa Buenos Aires": "Wie viel haben wir verloren / Durch deine Herzlosigkeit habe ich meine Freunde verloren, in einen bestraften Harlekin habe ich mich verwandelt, damit du in mir dein Schachspiel austrägst / Aber Stadt, ich liebe dich / Wo soll ich hin mit dem Blut eines Dummkopfs und der Vorstadt-Prägung / wenn hier meine Entwurzelung geschieht und in einem Mülleimer meine Hoffnung schläft."

Nélida Puig spielt in ihrer Dichtung mit dem Neuen aber auch dem Sich-Wiederholenden im "porteño-tum", sie ist die Leiterin von Letrango, eines Zusammenschlusses einer beachtlichen Zahl von AutorInnen mit dem Ziel eines höheren Bekanntheitsgrades und der Verteidigung der eigenen Rechte. In der Zeitung "La brecha" zeigt sich deutlich die Verbindung zwischen dem Bleibenden und dem Veränderlichen der jetzigen Metropole: "In jedem Wandel, auch wenn du dich sträubst, gibt es immer etwas zu verlieren, und wenn die Bartheke aus Kunstfaser ist oder der Kaffeetisch / Buenos Aires, lass dich nicht verstören, während du weitermachst wie bisher / da sich Freunde mit verschiedensten Ansichten treffen / El Chiquilín schaut nicht mehr von draußen ins Café, heut besteht sein Näschen aus Zement um zu vergessen / Seine Kindheit schmerzte beim Erwachen mit einer künstlichen Rose, er tat Pflaster auf Wunden ohne Ende." Direkt, konsequent und ohne Rücksicht, macht María José Demare Buenos Aires kybernetisch: "Nackt, kybernetisch und grausam / behém ist heute das Internet zu umarmen / da glänzt kein Mond mehr auf keinem Grill / Chiquilín de Bachín ist ein Yuppie ohne jeden Gedanken / Das Jahr 2000 verschlingt dich in einem virtuellen Kuss, das schamlose Buenos Aires wuchs und machte sich zur Prostituierten /die Lippen geschminkt mit Verräterblut."
 

Aus eigenem Recht

Die neuen Tangodichterinnen scheinen sich mehr als sicher zu fühlen, wenn sie sich auf die "Quote" beziehen, die sie darstellen "aufgrund ihres Rechts und nicht aufgrund von Gesetzen", und zeigen sich heiter und herausfordernd. Sie wissen, dass es für Frauen nie einfach war, sich in der Welt des Tango einzubringen, so ist es auch heute noch. Mit mehr oder weniger Härte gibt es Widerstand gegenüber dem Neuen, dem Verbannen alter Verhaltensregeln, der Akzeptanz, dass es auch einen neuen, anderen und zeitgemäßen Tango geben könnte und dass der "Frauenheld" auf diesen Zug aufgesprungen ist ohne ans Aussteigen zu denken, mit solchen Ansätzen allerdings bringen sie einiges voran.

Autorinnen, Sängerinnen, Tänzerinnen und Musikerinnen gewinnen zunehmend Raum und umgehen die herkömmlichen Schranken, die der "Tango macho" setzte. Viele bezeichnen sich nicht als Feministinnen, nichts desto trotz verfolgen sie die Verteidigung des weiblichen Geschlechts von diesem Standpunkt aus. Andere sind Feministinnen und sagen dies auch. Aber was hingegen alle erreichen möchten ist Anerkennung, Respekt und Berühmtheit für das, was sie tun bzw. leisten. Die Tänzerinnen kämpfen dafür, auch mit ihrem Nachnamen genannt zu werden, etwas, womit Milena Plebs bereits gegen Ende der 80er begann und was jenen berühmten Frauen die Augen auftat, die mit ihrem Vornamen neben jenem ihrer Tänzer aufschienen, die ihren vollen Namen auf Markisen, in Filmen und auf Plakaten anbringen ließen. Interessant, nicht?? Anders als die politisch aktiven Frauen, die für die Anerkennung ihres Taufnamens sterben.

Die Liedermacherinnen und Musikerinnen möchten auch wieder Orchester bilden. Die Textschreiberinnen streben danach, dass ihre Stücke von anerkannten Männern wie Frauen vertont werden. Es ist nicht nötig, die herkömmliche und altbekannte Geschichte der Geschlechter noch auszuweiten.

Inmitten dieser Turbulenzen wird kontinuierlich in allen Bereichen Neues hervorgebracht. Jede einzelne entdeckt ihr Tätigkeitsfeld, in dem sie sich realisieren kann. Silvina Rocha, Sängerin und Komponistin, hat auf ihrer ersten CD "Mujeres" (Frauen), u.a. Stücke Eva Peron, Alfonsina Storni, Alejandra Pizarnik, Camila O´Gorman gewidmet. Familie Pizarnik autorisierte und unterstützte die Autorin bei dieser Arbeit. In "Alejandra" sagt sie: "Deine Stimme ist wie ein Tango / in deinen Versen ist meine ganze Seele enthalten / Dein Blick ist kalt vor Hoffnungslosigkeit / Alejandra / deine Stimme ist wie ein Gesang / Abwesend ist dein Kind, von Schweigen gequält, flehende Stimme / wenn ich dich nur in Worten wieder erleben könnte." In "Eva" beschwört sie: "Zuerst warst du wie Maria, die mit dem ärmlichen Hut und dem braunen Sommermantel / Dann, müde von diesem Sumpf, suchtest du Berühmtheit und wurdest Margot / Später noch, erleuchtet von Gottes Hand / voll Leben und immer noch sehr jung / verstandest du, wer du warst."

Lina Avellaneda, eine sehr produktive Autorin, schrieb "La Milonga de Ana", eine Geschichte, in der sich viele jener Frauen wieder finden können, die zeitlose Luftblasen aufsuchen, wo sich Vergangenheit und Zukunft aufheben, der Milongas der Mitte, dort wo es allein Gegenwart gibt: "Tanzen, rhythmisch tanzen / den Weg für einige Momente mit den Füßen umlenken / und ohne Geister unter der Haut / mit anderen Augen und anderem Genuss träumen / Ana schminkt ihre Einsamkeit / Träume aus Blech träumend / Falten der Seele / die im Tanz gelöscht werden / Leben um zu tanzen / tanzen, um ein wenig das Drumherum zu vergessen."

Susana Murguía, Dichterin und Übersetzerin in Buenos Aires, gewann den zweiten Preis eines Wettbewerbs organisiert von der "Biblioteca Nacional" und "Metrovías", der 2002 mehr als 3000 Tangoliedtexterinnen aus dem ganzen Land zur Beteiligung einlud: "Lasst uns diesen Tango lieben / ohne Duelle, ohne Sehnsüchte, ohne Messer", sie bringt diesen ihren Tango "Hagamos el amor con este Tango" vor als Versuch, "sich von der Sehnsucht aus Jasmin und von den Messerhelden loszulösen um sich der Frau und dem Mann von heute zuzuwenden." Alle, jede auf ihre Weise, möchte in 3 Minuten – die traditionelle Länge eines Tango – die verschiedenen Künstlerinnen und Gewohnheiten dieser faszinierenden und geheimnisvollen Stadt, die sich ja im Wandel befinden, formen, je nach ihrer Wahrnehmung als Frau. Und ihr Wunsch, der Wunsch der Minas, "Minas, flor de cardo" (Distelblüte), wie Adriana Turchetti schrieb, deren Text von Javier González vertont wurde, vereinheitlicht vielleicht den Impuls der viele dazu anregte, sich des "Tango macho" anzunehmen. "Eine Frau wie eine Distelblüte zu sein / veranlasst, dass wir die Namen vergangener Jahrhunderte nicht vergessen / Die Rose, die so zart ist und ihre Stacheln versteckt / jenes hübsche Püppchen, das hinter der Fensterscheibe herausschaut."

Mit grossem Dank an Helga Pedrotti für die Übersetzung!

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update: 23 Jan 2010 © tangoinfo.ch
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